"Soll ich dir einen machen"? - Arbeit in einer behüteten Werkstatt

von Maximilian Billig, Jg. 12 (2004)

Ich sitze am Frühstückstisch. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Angst, Hilf- und Ratlosigkeit. Die Gedanken kommen nicht weg von diesem Praktikum, auch nicht auf dem Weg und erst recht nicht vor der Tür der Werkstatt für behinderte Menschen. Ich trete ein, werde freundlich von Frau Münker, meiner Ansprechpartnerin, empfangen, und wir gehen gemeinsam in Halle 2, Metallverarbeitung. Ich schaue mich um und fühle mich komisch, während mir Frau Münker sagt, ich solle mich einfach irgendwo hinsetzen und einfach ganz normal sein und mithelfen, dann lerne ich auch alles und alle kennen. Doch als ich gerade auf dem Weg zu den behinderten Mitarbeitern bin, lerne ich auch schon den ersten kennen: „Hallo, ich bin der Peter, und du?“ sagt er, und noch bevor ich antworten kann: „Biste mim Auto da?“ Ich weiß nicht, ob ich auf eine bestimmte Weise antworten soll und antworte deshalb normal, das heißt brav, höflich und respektvoll. Wir setzen uns dann an den Tisch und fangen an zu arbeiten, kleinste Teilchen für die Schlüsselfirma DOM ineinanderzustecken, keiner weiß, wofür genau, aber jeder weiß, er wird gebraucht. Beim Arbeiten unterhalten wir uns:

„Soll ich dir einen machen?“ „Ähh, bitte?!“ „Ja, soll ich dir einen machen, Max?“ „Hmm, okay Peter, mach mir einen!“ Und Peter fängt an, meine Schultern zu massieren. Gleichzeitig kommt André und versucht, mich zu überzeugen: „Weißte, Max, wenn man ganz viele Kartoffeln isst, kann man in die Steckdose packen, und es passiert nichts!“

Ich kann mein Lachen nicht mehr einhalten und lache deshalb laut, doch das stört hier keinen.

Nach dem Mittagessen mit den behinderten Menschen kommt schon wieder Peter zu mir. Er hat eine Taschentuch-Packung in der Hand und beginnt zu „telefonieren“.

„Aha, ja...... ohhh nein! Max, für dich, die Polizei!“ Ich kann mich wieder nicht halten und kriege fast Bauchschmerzen vor Lachen. Doch ich nehme die Packung und telefoniere auch.
Schon an diesem ersten Tag merke ich, dass ich dort die wichtigste Erfahrung gesammelt habe: Die behinderten Menschen sind ganz „normal“, sie lachen und streiten wie wir alle, nur sind sie viel kontaktfreudiger, offener und ehrlicher, sie sagen erst recht immer, was sie meinen. Die nächsten Wochen würden „nur“ Routine bringen, die man aber braucht, um mit behinderten Menschen besser ohne Vorurteile umgehen zu können. Aber ohne dieses Praktikum hätte ich so etwas nicht erlebt und meine Angst ablegen können, so dass ich wirklich sagen kann, dass sich diese zweieinhalb Wochen gelohnt haben. Ich habe viele behinderte Menschen persönlich näher kennengelernt, aber vor allem habe ich, wie gesagt, die Angst und die Vorurteile, die ich am Anfang hatte, abgelegt und gestehe, dass es mir Spaß gemacht hat, dort Praktikant gewesen zu sein.