Umgang mit Sterbenden

Der Tod ist der Endstand, dem alles Lebendige zustrebt. Er ist ein natürlicher Abschluss des Lebens und lässt dieses Leben dadurch als zeitlich begrenztes, kostbares Geschenk erscheinen. Die Gewissheit des Todes ist derzeit für viele alte Menschen weniger furchterregend als der Ge­danke an den vorausgehenden Sterbevorgang, besonders wenn dieser langwierig und qualvoll ist, zum Beispiel im Verlauf einer chronischen oder bösartigen Erkrankung. Bei manchen alten, chronisch kranken Pa­tienten hat man oft sogar den Eindruck, dass der Tod Erlösung ist und vom Patienten auch herbeigesehnt wird. Einige Patienten bleiben bis kurz vor ihrem Tode bei klarem Bewusstsein, zum Teil, ohne das nahende Ende zu ahnen, andere (zum Glück nur wenige) entwickeln kurz vor dem Erlöschen der geistigen Funktionen einen elementaren Angstzustand.

Was den Angehörigen eines Sterbenden als die schrecklichste Phase des Todeskampfes erscheint, spürt dieser glücklicherweise in der Regel nicht, weil er das Bewusstsein meist schon verloren hat. Wenn auch viele individuelle Faktoren kaum eine verallgemeinernde Schilderung des Sterbevorgangs ermöglichen, so kommt es initial bei erhaltenem Bewusstsein doch vielfach über verschiedene Phasen der Unsicherheit, des Schwankens zwischen Hoffnung und Todesangst, zu einer ausgeglichenen, zuweilen sogar euphorischen Stimmungslage, die endlich von einer zunehmenden Desorientiertheit, zeitweiligen und dann stän­digen Bewusstlosigkeit abgelöst wird, die zuletzt in ein tiefes Koma mündet.

Mit dem Eintritt in diesen Zustand sind Leid und Qual ausgestanden. Bis zum endgültigen Aussetzen der restlichen Vitalfunktionen laufen dann nur noch physische Prozesse mit einer gewissen Regelhaftigkeit ab, die mit dem oben erwähnten, unkorrekten Ausdruck des Todeskampfes bezeichnet werden.

Zu den Pflichten des im Krankenpflegewesen Tätigen, die das Heilen, Helfen und Lindern von Leiden als hohes Ziel umfassen, gehört auch, dem alten Sterbenden bis zu seinem Tode zu helfen. Diese Hilfe besteht in Behandlung, Beistand und Pflege.

'''Medizinische Behandlung:''' In Bezug auf die Behandlung ist der Wille der urteilsfähigen Patienten nach dessen Aufklärung zu respektieren, auch wenn es sich nicht mit medizinischen Indikationen deckt. Beim Bewusstlosen oder sonst urteilsunfähigen Patienten (zum Beispiel bei einem cerebralsklerotischen Verwirrtheitszustand), dienen dagegen medizinische Indikationen als Beurteilungsgrundlage für das ärztliche beziehungsweise pflegerische Vorgehen im Sinne einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Natürlich muss man dabei Hinweise auf den mutmaßlichen Willen des Patienten berücksichtigen. Dazu gehört auch, dem Patienten nahe stehende Personen anzuhören, zum Beispiel Ehegatten. Rechtlich liegt allerdings die letzte Entscheidung beim behandelnden Arzt. Bestehen bei einem auf den Tod Kranken Aussichten auf eine Besse­rung, wird der Arzt selbstverständlich diejenigen Maßnahmen voran­stellen, die der möglichen Heilung und Linderung des Leidens dienen.

Beim alten Sterbenden, bei dem das Grundleiden mit infauster Prognose irreversibel verläuft, der nicht mehr bewusst und umweltbezogen lebt und sein Leben selbst nicht mehr gestalten kann, wird der Arzt die Beschwerden lindern. Er ist nicht verpflichtet, alle der Lebensverlänge­rung dienenden therapeutischen Möglichkeiten einzusetzen. Er darf allerdings ebenso wenig vorschnell therapeutisch resignieren, nur weil es sich um einen »»alten Menschen« handelt!

 
'''Beistand:''' Der Arzt und das Pflegepersonal müssen sich bemühen, dem auf den Tod Kranken oder Sterbenden, mit dem noch ein Kontakt möglich ist, menschlich entsprechend beizustehen. Dazu gehören solche Kleinigkeiten, wie vielleicht einen kleinen Blumenstrauß hinzustellen oder ihm einmal fünf Minuten die Hand zu halten, damit er das Gefühl bekommt, dass man für ihn »da« ist, für seine Probleme Verständnis zeigt und Anteil nimmt.

'''Pflege des Sterbenden:''' Der todkranke und der sterbende Patient haben Anspruch auf die ihren Umständen entsprechende und in der gegebenen Situation mögliche Pflege.

Dabei ist völlig gleichgültig, ob der alte Mensch geistig verwirrt, komatös, ansprechbar oder allein stehend ist, oder aber von Angehörigen dauernd umsorgt wird. Bei den pflegerischen Maßnahmen sollte man berücksichtigen, lindernde beziehungsweise erleichternde Maßnahmen medizinisch vielleicht indizierten korrekten Handlungsweisen vorzuziehen. Auch persönliche Eigenarten des Patienten, die sonst in der täglichen routinemäßigen Pflege nicht hingenommen werden können, sollten hier geduldet werden. Zu dem Zeitpunkt, wo die Dienste des Arztes symbolisch werden, kann das Pflegepersonal noch immer viel dazu beitragen, dem Patienten behilflich zu sein. So ist der Durst eine schwere und ständige Sorge für Patienten. Man kann ihn dadurch lindern, dass man den Patienten an einem nassen Lappen oder Schwamm saugen lässt. Der Patient sollte auch auf die Seite gelegt werden, so dass der Speichel aus dem Mund abfließen kann und die Zunge nicht in den Rachen zurückfällt. Oft ist die halbsitzende Stellung mit Kissen unter dem Rücken am angenehmsten. Da Sterbende trotz Schwitzen und Fieber leicht frösteln, sollte man sie, soweit wie möglich zugedeckt halten. Die Fenster sind zu öffnen und vorhandene Ventilatoren zur Kühlung des Raumes zu nützen.

Sterbende Patienten erscheinen oft benommen und doch ist ihr Gehör und ihr Bewusstsein vielfach bis zum Ende klar. Deshalb sollte nichts gesagt werden, was nicht für den Patienten bestimmt ist. Im letzten Stadium, wo die Sinne schwach werden, haben viele Patienten den Wunsch nach Licht. Das Sterbezimmer sollte deshalb gut beleuchtet sein, außerdem gut gelüftet und still. Solche einfachen Maßnahmen erleichtern Unannehmlichkeiten und Schmerzen des Sterbens.

(Füsgen/Summa)