Überblick über normale Altersveränderungen
1. Körperliche Veränderungen:
Haut: Wird zunehmend trocken und faltig, unelastisch. Vitamine und Hormone sind für die Verzögerung dieses Vorgangs von geringem Wert, beeinflussen eher die Einstellung, die jemand zu sich selbst hat. Es gibt schneller blaue Flecken und Beulen und sie halten länger, da die Blutgefäße in der Haut zerbrechlich sind. Pigmentierung ist üblich, vor allem an den sichtbaren Partien der Haut.
Haar: Neues Haar hat weniger Farbe, es ist grau oder weiß, das Ergrauen ist ein langsamer Vorgang, Kahlköpfigkeit kommt wegen der Androgene bei Männern häufiger vor als bei Frauen.
Blutgefäße: Auf ihren Funktionsverlust wirken unter anderem zwei Faktoren: ein möglicher erblicher Defekt des Fettkreislaufes und ein Abbau des elastischen Gewebes in den Arterienwänden, was möglicherweise auch durch psychische Belastungen unterstützt wird.
Bewegung: Die Muskeln zeigen Schwäche und Schwund (atrophische Prozesse), vor allem an Händen und Beinen. Ein gewisses Zittern während der Wachheit ist üblich (Altersparkinsonismus). Das führt weniger zu objektiven Einschränkungen (Schrift wird krakeliger), oft jedoch zu Scheu und dem Versuch, das Zittern zu verbergen, was zu mehr Zittern führt. Gebrauch der Hände und Beine beugt dem Abbau der Fähigkeiten am ehesten vor. Knochen werden brüchiger, vor allem, weil der Proteinhaushalt einem Wandel unterliegt, wodurch weniger Kalzium freigesetzt wird, jedoch sollte aus Angst vor Stürzen der tägliche Spaziergang nicht vermieden werden. Die Wirbelsäule beugt sich, was das Ausbalancieren erschwert. Die Gesichtszüge werden starrer und die Gesamtgestik weniger und langsamer.
Sinnesorgane: Die Augenlinse wird zunehmend weniger elastisch, das Auge kann weniger gut auf nahe Dinge fokussiert werden. In hohem Alter lässt die Lichtempfindlichkeit der Linsen nach. Das Ohr wird gradweise taub für hohe Töne, so dass Laute und Worte falsch zugeordnet und verstanden werden. Komplette Taubheit ist insofern eine Katastrophe, als sie zu größerer sozialer Isolation führt als der Verlust aller anderen Sinnesorgane. Von 100 sozial isolierten alten Menschen haben 50% Schwerhörigkeit (geholfen werden könnte durch frühzeitigen Abbau der Scheu vor Hörgeräten).
Anpassung: Die Fähigkeit zur Anpassung an sich ändernde Bedingungen, die für alle Lebewesen fundamental ist, wird mit dem Alter weniger wirksam und langsamer, Untätigkeit ist im Alter eine große Gefahr, denn geschwächte Muskeln und schlechte Gesundheit sind häufig Folge von Unbewegtheit und nicht Ursache. Selbst bei bester Kondition wird die Anpassungsfähigkeit schwächer, was sich besonders deutlich in Belastungssituationen zeigt. Die Muskel- und Atemreserven sind bei alten Menschen schneller erschöpfbar, und die stabilisierende Möglichkeit des Körpers, sich Temperaturen anzupassen, arbeitet nicht mehr so präzise. Wasser- und Elektrolythaushalt geraten bei Infekten leichter aus dem Gleichgewicht.
2. Seelische Veränderungen:
Lernfähigkeit: Lange Zeit ging man davon aus, dass alte Menschen nicht mehr dazulernen können. Nach heutigem Wissen lässt sich das nicht mehr so eindeutig sagen. Lernfähigkeit und Gedächtnis gehen nicht "verloren", jedoch ergeben sich charakteristische und schwerwiegende Änderungen. Neue Erlebnisse werden nicht so gut erinnert, neue Lerninhalte nicht so gut gelernt. Für das Lernen im Alter sind die Beweggründe (Motivation) von großer Bedeutung. Warum soll etwas gelernt werden, lohnt sich das noch? Bedeutsam für das Lernen im Alter ist auch die Art der Darbietung. Lerninhalte müssen anschaulich und konkret dargeboten werden, um behalten zu werden. Sicher ist auch, dass sich das Tempo verändert. Alte lernen nicht so schnell - und der Vergleich der Schnelligkeit des Lernens lässt oft den Eindruck entstehen, weniger lernfähig zu sein. Aber bei genügend Zeit können Alte genauso lernen wie Junge.
Gedächtnis: Alte Menschen haben ein gutes Gedächtnis für Erlebnisse in ihrer Jugendzeit, jedoch ein schlechteres für neuere Erlebnisse. Es ist nicht eindeutig, ob wirklich eine Verbesserung des Altgedächtnisses auftritt oder ob lediglich das Nachlassen von Kontrollmöglichkeiten den Eindruck der Verbesserung hervorruft. Auch hier ist dem Faktor des Interesses große Bedeutung beizumessen. Ein alter Mensch mag sich wieder mehr für seinen Lebenslauf interessieren, auch sich "gern" an vergangene Zeiten erinnern, während er das Interesse an zeitgenössischen Ereignissen verliert. Bei alten Menschen können die peripheren Gedächtnisinhalte (Selbstverständlichkeiten in Zeitabläufen oder Logik von Handlungen) so an Bedeutung verlieren, dass es zu kleineren oder größeren Desorientierungen kommen kann. Sicher hängt damit auch die Vergesslichkeit zusammen. Dabei ist auch hier zu erwähnen, dass die subjektive Bedeutung einer Sache prägend ist. Wenn ein junger Mensch vergesslich ist, wird er der Schusseligkeit geziehen oder angehalten, den z. B. verlorenen und verlegten Gegenstand so lange zu suchen, bis er ihn gefunden hat, oder gemahnt, nächstens Mal nicht mehr so vergesslich zu sein. Bei alten Menschen reicht die Benennung der Vergesslichkeit zusammen mit dem Schluss: das ist das Alter, um die empfundene Angst zu vergrößern und damit die Gedächtnisleistung, analog Prüfungssituationen, zu verschlechtern und weiterführende Handlungen zu unterlassen.
Psychomotorik: Vom 30. Lebensjahr an lässt sich eine zunehmende Verlangsamung des psychischen Tempos und der psychomotorischen Fähigkeiten beobachten, wobei entscheidend die Verlängerung der Reaktionszeit ist. Jedoch zeigt sich im Bereich der Psychomotorik (Autofahren, Schreiben, Nähen, Basteln), wie abhängig Veränderungen vom sozialen Status sind und dem, womit man sich immer beschäftigt (Übung), auch von Gesundheit und Motivation (warum soll ich einen Brief schnell schreiben, ich habe doch soviel Zeit, warum soll ich schnell gehen).
3. Soziale Kränkungen im Alter:
Das Gefühl, unerwünscht zu sein: Der alternde und alte Mensch hört oft, er solle sich doch nicht bemühen, lieber aus dem Wege gehen, Dinge liegen lassen, sich doch bloß nicht kümmern. Er darf nicht mehr berufstätig sein (wie Kinder, nur noch in der Phantasie). Es hängt nichts mehr von ihm ab; viele werden sich zurückziehen, still werden, sich lieber nicht einmischen, um diesem Gefühl, unerwünscht zu sein, begegnen zu können.
Finanzielle Unsicherheit und das Gefühl finanzieller Unsicherheit: Das Alter bringt für die meisten ein gewisses Maß an Verarmung mit sich. Besonders auffallend ist das für Witwen, die keine eigene Rente haben. Entscheidend ist nicht allein die absolute Höhe des monatlich zur Verfügung stehenden Betrages, sondern auch die Kluft zum vorher Gehabten. Gleichzeitig kann man nichts mehr für den Zuwachs des persönlichen Eigentums tun. Die Arbeitskraft ist nicht mehr einsetzbar und damit erhöht sich die Abhängigkeit. Von daher steht man jeder wirtschaftlichen Veränderung, aber auch jeder größeren Anschaffung, häufig schon Reisen, ängstlich und bedroht gegenüber. Das Gefühl schwindender körperlicher Kraft und Sicherheit wird auch aufs Geld übertragen (Verarmungsangst).
Einsamkeit: Einsamkeit ist nicht gleich Isolation, vielmehr kann man sich auch in einer Menschenmenge einsam fühlen. Wesentlich für das Erlebnis der Einsamkeit ist, dass man nicht seinesgleichen findet und keinen Gesprächspartner hat. Ein Mensch, der einsam ist, sorgt sich um seine Seele, wobei er aus Gründen der Ablenkung und der Vermeidung totaler Einsamkeit häufig Ärzte aufsuchen mag, die ihm Zeit gönnen. Auch bei den kirchlich organisierten Altenhilfen ist darauf zu achten, dass das seelsorgerische Element bei der Begegnung mit der Einsamkeit nicht vernachlässigt wird.
Plötzliche Veränderungen: Desorientiertheit und Verwirrtheit treten weniger auf, wenn der alte Mensch Gelegenheit hat, sich auch in seinen Tätigkeiten, seinen Besuchen und seinen Erlebnissen eine gewisse Routine anzueignen. Es ist günstiger, regelmäßige Besuche zu haben bzw. regelmäßigen Aktivitäten nachzugehen als plötzliche Aufschwünge zu haben. Den gleichen Ausflug mit 14 Tagen Erwartungszeit gemacht, erlebt eine alte Frau wesentlich angenehmer, als wenn er nach einem plötzlichen Entschluss am Abend zuvor erfolgt. Alte Menschen brauchen längere Zeit, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen, sich anzukleiden, ihre Sachen zusammenzuhaben, so dass plötzliche Ereignisse sie überfordern und in eine überstarke Hektik hineintreiben.
(nach: Dörner / Plog)