Häusliche Pflege - ein Erfahrungsbericht

von Christoph Kuhl

1.) Die Organisation:

Insgesamt gab es relativ wenig Einschränkungen. Von den Organisatoren der Schule kam nur die Anweisung eine Praktikumsstelle in einem sozialen Bereich zu suchen.
Selbst bei zeitiger Nachfrage bei den Unternehmen gestaltete sich dies aber ziemlich schwierig, da auch andere Schulen zur gleichen Zeit Praktika ausrichteten. Weiterhin waren sehr viele Einrichtungen nicht bereit Jugendliche unter 18 Jahren als Praktikanten aufzunehmen; sie verlangten auch Vorerfahrungen und suchten nicht selten Zivildienstleistende. So telefonierte ich nahezu alle Einrichtungen in meiner Region ab. Schließlich bekam ich ein Praktikum bei einer weiter entfernt liegenden Stelle, dem Unternmehmen Fidelitas, das in der häuslichen Krankenpflege tätig ist.


2.) Der erste Tag: Überwindungsschwierigkeiten

Eigentlich hatte ich gar nicht vor, in der Hauskrankenpflege tätig zu werden, da ich damit schon persönliche Erfahrungen in der Familie machen musste und ich ungefähr wusst, was mich erwartete. Aber nun stand ich - morgens um viertel vor Sieben - vor dem Zeitstellenbüro meiner Praktumsstelle und wartete auf eine Pflegerin, die mich abholen sollte. Eine kurze Begrüßung und Einleitung folgte.
Beim ersten Patienten war ich ein wenig erleichtert, da es sich nur um Medikamentengabe und Verbandwechsel handelte. Doch beim zweiten Patienten folgten dann die Dinge, die ich im Voraus befürchtet habe. Beißender Uringeruch lag in dieser Wohnung und eine alte Dame wartete auf ihre Dusche. Allein dabei zuzusehen kostete mich schon Überwindung.
Die Pflegerin erläuterte mir anschließend das Spektrum der Krankenpflege, das von einfacher Medikamentengabe bis zur Betreuung schwerster Pflegefälle reicht. Ebenso weit  reicht dann auch das Spektrum der Haushalte: von sehr sauberen Haushalten bei schwersten Pflegefällen bis zu kaum nachvollziehbaren Zuständen bei leichten Pflegefällen. Und stets wurde ich begleitet von Ekelgefühlen.

3.) Der Alltag kehrt ein, aber keine Gewohnheit

Die gesamte Zeit des Praktikums war geprägt von zwei gegensätzlichen Aspekten: Dem Ekel und der Schäu tätig zu werden und von der Langeweile der Untätigkeit. Nach drei Tagen merkte ich, dass es teilweise wirklich langweilig wurde, da immer dieselben Patienten angefahren wurden, und sich meine Tätigkeit auch - zum Glück - nur auf kleine Handreichungen beschränkten. Gewohnheit an diese soziale Arbeit und die damit verbundenen Unanehmlichkeiten kehrte jedoch nicht ein.

4.) Das Resümmé

Mein persönliches Resümmé lautet, dass ein normales Berufspraktikum oder drei Wochen normaler Unterricht mir mehr gebracht hätten als das Compassion-Projekt, gerade vor dem Hintergrund, dass von allen Seiten der hohe Unterrichtsausfall beklagt wird. Das lässt sich damit begründen, dass - wie bereits erwähnt - sich meine Tätigkeiten sehr auf einfache Dinge beschränkten und ich bereits Erfahrungen mit bedürftigen Menschen und Krankenpflege hatte. Kontakt zu den Patienten war auch selten möglich, da überwiegend alte, fast taube und bisweilen sprachunfähige Patienten betreut wurden. Falls es jedoch das Ziel des Praktikums gewesen wäre, meine negativen Befürchtungen gegenüber der Krankenpflege zu bestätigen, wäre Compassion für mich ein voller Erfolg gewesen.
Wenigstens ein positiver Punkt bleibt jedoch: Der Respekt vor den PflegerInnen die diesen Job jeden Tag durchstehen. Im Gespräch mit einer Pflegerin wurde jedoch deutlich, dass viele MitarbeiterInnen ihrer Arbeit nicht aus Nächstenliebe oder Idealismus nachgehen, was meinen Respekt vor ihrem Durchhaltewillen noch verstärkte.
Mir persönlich bringen die gemachten Erfahrungen wenig. Ich wusste vorher schon, dass ich für diese Arbeit nicht geeignet bin, und somit bringt das Praktikum für mein zukünftige Berufswahl nichts. Das hätte ein "freies" Praktikum eher geboten. Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass meine Mitschüler komplett andere Erfahrungen bemacht haben und somit Compassion mehrheitlich ein Erfolg war.